Sozialer Austausch nicht ersetzbar

Wie gemeinnützige Vereine in Demmin die Corona-Zeiten überstehen

In diesen Tagen merkt man sehr genau, worauf man eigentlich gut verzichten kann. Soziale Kontakte und das direkte Gespräch miteinander gehören ganz sicher nicht dazu. Davon sind Sarah Dittrich und Hannah Kuke vom Verein T30 in Demmin überzeugt.

Normalerweise sind Netzwerktreffen und gegenseitiger Austausch das A und O ihrer täglichen Arbeit. Seit 2018 gibt es den Verein, der sich Projekte in Kultur, Gesellschaft und Bildung in Demmin auf die Fahnen geschrieben hat. Ausgerechnet in Demmin, einer Stadt, die vor allem dafür bekannt ist, dass jedes Jahr am 8. Mai Rechtsextreme durch die Straßen ziehen. „Gerade in Demmin“, sagen Sarah Dittrich und Hannah Kuke. Beide sind zugezogen, unabhängig voneinander, der Liebe wegen. Und beide wollen bleiben.

Gleich mehrere Projekte haben sie mit dem T30-Verein schon ins Leben gerufen. Der Name steht übrigens für dessen Anschrift in der Treptower Straße 30. In dieser zentralen Lage versucht der Verein, auf Kunst und Kultur aufmerksam zu machen und gesellschaftliches Engagement zu fördern. Dabei ist ihnen der gemeinsame Austausch, Vernetzung, das Wichtigste. So haben sie ein Vereinsnetzwerk gegründet, um die Engagierten in Demmin zusammenzubringen. „Immerhin hat die Stadt laut Vereinsregister 70 Vereine“, sagt Hannah Kuke. „Auf die 10.000 Einwohner gerechnet, ist das schon sehr viel.“ Um diese alle sichtbarer zu machen und miteinander ins Gespräch zu kommen, finden inzwischen regelmäßige Netzwerktreffen mit Weiterbildungsangeboten und Workshops zu verschiedenen Themen rund um das Vereinsleben statt. Vereinsrecht, Öffentlichkeitsarbeit, Fördermöglichkeiten – Themen eben, die Vereine bewegen.

Probleme in der Krise bewältigen

Gerade jetzt in der Corona-Krise ist die Unsicherheit besonders groß. Und gerade jetzt können wegen der Kontaktsperre keine Treffen stattfinden. „Anfangs haben wir die Füße stillgehalten, weil ja jeder auch erstmal andere Sorgen hatte, als sich um sein Ehrenamt zu kümmern. Aber nach zwei Wochen hatten wir dann doch das Gefühl, irgendwas machen zu müssen“, erzählt Hannah Kuke. So entstand die Idee einer Videoreihe, in der die Vereine über ihren Umgang mit der Krise berichten, Sorgen und Nöte benennen, aber auch Chancen und Rückschlüsse für die zukünftige Arbeit ausmachen. Mittlerweile sind vier dieser Videos entstanden und auf dem Youtube-Kanal des T30-Vereins veröffentlicht. „Wir waren uns zunächst nicht sicher, ob die digitalen Medien für diesen Austausch hier sinnvoll sind. Aber es ist zumindest ein Weg, miteinander im Gespräch zu bleiben.“

Einmal im Monat findet ein Zeitzeugencafé für Demminer BürgerInnen statt.
Fotos: Christian Thiele

Wichtiger Fixpunkt fehlt

Für die Vereine ist es auch eine Möglichkeit, nicht in Vergessenheit zu geraten. Fast alles, was ihre tägliche Arbeit ausmacht, ist derzeit nicht möglich. Kaum jemand besucht das Tierheim des Tierschutzvereins, Sport im Verein ist gerade undenkbar, Kulturveranstaltungen sind abgesagt, Treffen sind nicht möglich. Besonders für diejenigen, für die das soziale Miteinander ein Fixpunkt ist, sind die Zeiten schwer. So kann das von Sarah Dittrich ins Leben gerufene Zeitzeugencafé für überlebende Demminer BürgerInnen des Zweiten Weltkriegs gerade nicht stattfinden. „Wir haben gemerkt, wie wichtig den älteren Menschen, die diese Zeit noch selbst miterlebt haben, das Gespräch mit anderen Zeitzeugen ist, um die Erfahrungen zu verarbeiten. Zum Teil sitzt das noch immer sehr tief“, sagt Sarah Dittrich. „Aber gerade für diese Altersgruppe besteht das Hauptrisiko einer Erkrankung, so dass die regelmäßigen Treffen derzeit nicht möglich sind. Und über digitale Kanäle würden wir ausgerechnet diejenigen leider auch nicht erreichen.“ Wie lange das noch dauern wird, weiß niemand.

Der Austausch von kulturell Aktiven ist ein wichtiges Anliegen.
Fotos: Christian Thiele

(K)ein Nerv für Kunst und Kultur?

Auch die kulturellen Aktivitäten in Demmin liegen derzeit brach. Ob der nächste Demminer Kulturstammtisch am 10. Juni stattfinden darf, ist ungewiss. Dieser wird alle sechs Wochen im Rahmen des Kulturring Demmin organisiert, ein Verbundprojekt des T30 e. V. mit dem Lübecker Speicher Demmin. Ziel ist es, die kulturell Aktiven aus Demmin zusammenzubringen, den Austausch zu fördern und Synergien zu nutzen. Es werden Kunstaktionen organisiert und Künstlerstipendien vergeben. Aktuell läuft die Ausschreibung für einen zweimonatigen Aufenthalt mit künstlerischem Wirken von Nicht-Demminer KünstlerInnen in der Stadt. Die Einreichungsfrist läuft bis 31. Mai. Die Arbeit geht weiter. Vielleicht langsamer als gewohnt, und auf anderen Wegen, aber Kunst und Kultur soll auch nach der Krise eine wichtige Rolle in Demmin spielen.

Im Hinterhaus des T30 soll bald ein Coworking-Space für Vereine und gemeinmützig Aktive entstehen.
Fotos: Christian Thiele

Cowork-Pläne für Demmin

Immerhin ist der T30-Verein mittlerweile überregional als Ansprechpartner für Kulturprojekte in der Region etabliert. Sogar Neulandgewinner ist der Verein aktuell. Das Ziel: die alte Backstein-Remise im Hinterhaus der „Zentrale“ in der T30 soll Gemeinschaftsbüro mit Werkstatt-Atelier und Seminarraum für Vereine und gemeinnützige Akteure in Demmin werden. „Dort wollen wir den Vernetzungsgedanken und Informationsaustausch noch gezielter fördern. Im besten Fall entstehen hier bald neue Kooperationen und Projekte in der Stadt“, sagt Sarah Dittrich. „Es darf gelernt und ausprobiert werden: Kunst, Handwerkskurse, Philosophie-Salons, Körpertherapien, vieles ist denkbar.“ Bis dahin steht aber noch etwas Arbeit bevor: Noch fehlen die Fenster in dem zukünftigen Coworking-Space.

Aktuelle Infos vom T30-Verein auf Facebook

Von Manuela Heberer

AKTUELLE BEITRÄGE

Volkmar Föster in der Galerie Teterow | Drei aktuelle Ausstellungen in M-V
Kultur

Drei Aktuelle Ausstellungen in M-V

Grandiose Ausstellung in Teterow: Volkmar Förster Mal schnell auf dem Weg im RE4 (Lübeck – Stettin) eine Pause einlegen und Kunst genießen? Das geht in der Galerie Teterow immer sehr gut, seit dem die vor ein paar Jahren direkt ins alte Bahnhofsgebäude gezogen ist. Zwischen gußeisernen Säulen und zur Galerie

Weiterlesen »
Lebensart

Coworking in der Pampa

Coworking auf dem Land ist beliebter denn je. Während der Corona-Jahre haben sich viele Menschen anziehen lassen – um dort nicht nur die Natur zu genießen, sondern auch zu arbeiten. Immer mehr Anbieter haben den Trend erkannt und ihre Räume für das gemeinsame oder auch kollaborative Arbeiten unter einem Dach geöffnet …

Weiterlesen »
Kultur

Theater im Licht

Sphärische Klänge und Licht scheinen eins zu werden mit Tänzerinnen und Tänzern auf der sonst schwarzen Bühne. Die drei Elemente treten in Interaktion, Landschaften aus Licht – digital lightscapes – werden auf die lebenden Körper projiziert. Für die Macher dieser Performance aus Tanz, Video und Licht geht uns um …

Weiterlesen »
Menschen

Ein Schäfer in Personalnot

Behutsam zupfen sie Halm für Halm von der Wiese. An die 300 Mutterschafe mit ihren Lämmern tummeln sich im Spätsommer auf dem noch satten Grün. 100 weitere und 50 Ziegen genießen die Vegetation auf anderen Weiden. Bald schon werden die Tage kälter und regnerischer, die Wiesen kaum noch Fressbares hergeben …

Weiterlesen »
61 Jahre Wasserskisport in Feldberg (Mecklenburg).
Menschen

Von Feldberg an die Weltspitze

Im Dreieck zwischen Demmin, Stavenhagen und Altentreptow liegt der kleine Ort Gatschow. Dort, wo die Dorfstraße in einen Sandweg mündet, ist nicht alles zu Ende. Vielmehr entwickelt sich genau dort seit Jahren ein Ort der emeinschaft.

Weiterlesen »
Gorch auf Tour 2: Mit dem Rad über Malchin nach Basedow bis Seedorf am Malchiner See
Lebensart

Gorch auf Tour (2)

Strecken durch unterschätzte Orte und Gegenden, (leicht) abseits der Touristenmagnete – genau diese reizen unseren Fotografen Georg Hundt, kurz: Gorch. Er nimmt uns mit auf seine Streifzüge durch die Region, unterwegs
mit Bahn und per Rad.

Weiterlesen »
Landkombinat Gatschow: Im Dreieck zwischen Demmin, Stavenhagen und Altentreptow liegt der kleine Ort Gatschow. Dort, wo die Dorfstraße in einen Sandweg mündet, ist nicht alles zu Ende. Vielmehr entwickelt sich genau dort seit Jahren ein Ort der Gemeinschaft. Es wird zusammen gebaut, repariert und gegärtnert beim Landkombinat in
Menschen

Lat. combinatus = vereinigt

Im Dreieck zwischen Demmin, Stavenhagen und Altentreptow liegt der kleine Ort Gatschow. Dort, wo die Dorfstraße in einen Sandweg mündet, ist nicht alles zu Ende. Vielmehr entwickelt sich genau dort seit Jahren ein Ort der emeinschaft.

Weiterlesen »
Kerstin Kuttler, Leiterin vom Kunsthaus Koldenhof in einer Ausstellung mit Malerei von Barbara Müller-Kageler und Skulpturen von Marguerite Blume-Cárdenas.
Kultur

Kunst im alten Dorfkrug

Kunst im alten Dorfkrug: Seit 2015 präsentiert ein Verein zeitgenössische bildende Kunst, Literatur und Kulturgeschichte in einem rekonstruierten Backsteinhaus in Koldenhof bei Feldberg.

Weiterlesen »
Einige Ausgaben der "Unkenpost - die Wissenszeitung von hier".
Menschen

Kann man Waschbären essen?

Kann man Waschbären essen? Dass Wissenschaft nicht komplett vergeistigt und Wissensmagazine
nicht überkandidelt sein müssen, beweist die kleine Unkenpost.

Weiterlesen »