Neustart trotz Corona

Wie eine Rückkehrerin mitten in der Corona-Krise in Neustrelitz neu startet

Erst Anfang Februar ist Viktoria Maash nach Neustrelitz zurückgekehrt, hat eine schöne Wohnung gefunden, sich nach über zehn Jahren wieder eingelebt. Am 1. April wollte sie nun im neuen Job starten. Das läuft jetzt erstmal ganz anders als geplant.

Im Familienzentrum in Neustrelitz ist Viktoria Maash seit ein paar Tagen für die Familienbildung zuständig. Daraus wird jetzt aber vorerst nichts. Stattdessen ist Einarbeitung im Homeoffice angesagt. „Das ist ein bisschen komisch, weil ich ja auch meine neuen Kolleginnen und Kollegen noch gar nicht kennengelernt habe. Stattdessen sitze ich hier und arbeite mich mit Unterlagen und Lesestoff in meinen neuen Job ein“, sagt die 31-jährige Pädagogin. Für sie ist der neue Job auch eine gewisse Herausforderung, weil bisher nur Kinder in ihrem pädagogischen Fokus standen. Mit Entspannungstechniken für Kinder zwischen zwei und vier Jahren hat sie sich während ihrer pädagogischen Ausbildung in Berlin beschäftigt. „Zukünftig die ganze Familie in den Blick zu nehmen, wird sicher sehr spannend.“ Bis Viktoria Maash damit auch in der Praxis starten kann, wird es noch etwas dauern. Mindestens bis zum 20. April gelten auch für sie die entsprechenden Einschränkungen. Langeweile hat sie derweil nicht.

„Lehrerin im klassischen Schulsystem möchte ich nie werden.“

Als leidenschaftliche Musikerin hat sie alle ihre Instrumente hervorgeholt: Blockflöte, Klavier, Oboe, Gitarre. „Endlich ist auch mal wieder Zeit dafür.“ Nach dem Abitur am Musikgymnasium in Demmin, wo sie ab der 9. Klasse unter der Woche im Internat gewohnt hat, studierte Viktoria Maash in Oldenburg Musik und Kunst auf Lehramt. Dabei wurde ihr klar: „Lehrerin im klassischen Schulsystem möchte ich nie werden.“ Zwar stand auch die Gesangsausbildung zur Sopranistin im Raum, letztendlich entschied sich die junge Mecklenburgerin jedoch für die pädagogische Arbeit. „Ich sehe mich aber eher als Reformpädagogin, möchte natürliche Lernprozesse fördern, statt hohen Druck zu erzeugen.“

Dreadlocks als Leidenschaft

Auch sie selbst hatte während des Studiums große Schwierigkeiten mit dem enormen Leistungsdruck. Einen Ausgleich fand sie in ehrenamtlichem Engagement, z. B. bei der Gründung einer Kulturgenossenschaft, in einer bewusst nachhaltigen Lebensweise, und in einem ganz besonderen Handwerk. Seit über sechs Jahren sind Dreadlocks ihre große Leidenschaft. „In dieser hochkonzentrierten, feinmotorischen Arbeit gehe ich total auf“, sagt Viktoria Maash – in Dreadlockkreisen als Vicky bekannt. Immer wollte sie selbst welche haben, irgendwann hat sie es selbst versucht und Stück für Stück dazugelernt. Bald hat sie anderen Dreadlocks erstellt. In Berlin ist daraus ein festes Standbein während der berufsbegleitenden Erzieherausbildung geworden. „Ein Zubrot, um Bafög zurückzuzahlen und mal was außer der Reihe zu haben.“

Dreadwraps statt Dreadlocks

„Mein größter Wunsch war es, irgendwann mal zur Dreadfactory zu gehören.“ Dreadstylisten aus ganz Deutschland tauschen sich in dieser Community aus, unterstützen sich gegenseitig. „Dieses familiäre Umfeld hat mich immer sehr fasziniert. Es ist einfach eine schöne Vorstellung, zwar selbstständig zu arbeiten, aber immer eine tolle Dreadfamilie im Hintergrund zu haben, auch als Vorbilder für meine eigene Arbeit“, sagt Vicky. Ein Zufall brachte sie schließlich mit Dreadfactory-Gründerin Bine aus Berlin zusammen. Seit knapp 13 Monaten ist Vicky nun selbst unter dem Label tätig – zuerst in Berlin, jetzt in Neustrelitz. „Ich würde sagen, zwei Drittel meiner Kundinnen und Kunden aus Berlin werden mir treu bleiben. Sogar in der Schweiz habe ich einen Kunden, der extra geflogen kommt, wenn die Dreadlockpflege ansteht. In Mecklenburg wollte ich jetzt eigentlich mit dem Klinkenputzen beginnen. Aber auch daraus wird ja erstmal nichts.“ Stattdessen hat Vicky jetzt begonnen, Dreadschmuck aus Makramee herzustellen, sogenannte Dreadwraps. „Das wollte ich eigentlich immer schon machen, jetzt habe ich die Zeit dafür.“

Sorge um Angehörige

Sorgen macht sie sich derzeit vor allem um diejenigen, aus dem Familien- und Freundeskreis, zu denen sie soziale Kontakte meiden muss, obwohl sie sie eigentlich bräuchten. Trotzdem versucht sie aus der Ferne für sie da zu sein. „Für meine Oma in Wittenberg habe ich neulich übers Internet eine Einkaufshilfe gesucht. Nach fünf Minuten hatten sich direkt 13 Leute gemeldet. Das ist toll!“

Von Manuela Heberer

Übrigens: Dreadstylistin Vicky präsentiert sich im VielSehn-Schaufenster.

AKTUELLE BEITRÄGE

Allgemein

Das letzte Mal Koldenhof: Falko Behrendt und Claus Lindner

Nach zehn Jahren und dreißig Ausstellungen schließt das Kunsthaus Koldenhof noch im September. Der kleine Ort, versteckt zwischen Feldberg (Seenplatte) und Neustrelitz, stand für jeweils drei hochkarätige Ausstellungen im Jahr, dazu Lesungen und Vorträge. Über das Haus, seine Initiatoren und einige Ausstellungen berichteten wir. Im Zentrum der Schauen im liebevoll

Weiterlesen »
Lebensart

Regional verbunden

Wo nichts ist, ist alles möglich An vielen kleinen Orten stellen Menschen verschiedenste regionale Produkte her. Angefangen vom Gemüse, Obst und Fleisch über Käse, Wurst und Brot bis hin zu Kosmetik, Kleidung und vielem mehr reicht die Palette. Fast immer eine Herausforderung ist die überregionale Vermarktung. Denn irgendwie müssen die

Weiterlesen »
Kultur

Wo nichts ist, ist alles möglich

Wo nichts ist, ist alles möglich Ein halbes Jahrhundert lebt Bildhauer Günter Kaden nun in Wendischhagen bei Malchin. An seiner Seite die Malerin und Grafikerin Sabine Naumann. Beide haben hier ihren Kleinod gefunden, an dem sie abseits vom Lärm der Zivilisation ihre Kunstwerke erschaffen – und einen bescheidenen, aber wohligen

Weiterlesen »
Menschen

Science Comedy

Science Comedy Astrophysiker Michael Danielides lockt zum Himmelskino ins Zeiss-Planetarium nach Demmin. Mitten in den Tannen, auf einer Anhöhe am Rande der Stadt, steht der Wasserturm von Demmin. Ein Unternehmer hatte das Gebäude 1897 errichten lassen, um die einstige Garnisonsstadt mit Wasser zu versorgen. Per Schwengelpumpe wurde das kostbare Nass

Weiterlesen »
Volkmar Föster in der Galerie Teterow | Drei aktuelle Ausstellungen in M-V
Kultur

Drei Aktuelle Ausstellungen in M-V

Grandiose Ausstellung in Teterow: Volkmar Förster Mal schnell auf dem Weg im RE4 (Lübeck – Stettin) eine Pause einlegen und Kunst genießen? Das geht in der Galerie Teterow immer sehr gut, seit dem die vor ein paar Jahren direkt ins alte Bahnhofsgebäude gezogen ist. Zwischen gußeisernen Säulen und zur Galerie

Weiterlesen »
Lebensart

Coworking in der Pampa

Coworking auf dem Land ist beliebter denn je. Während der Corona-Jahre haben sich viele Menschen anziehen lassen – um dort nicht nur die Natur zu genießen, sondern auch zu arbeiten. Immer mehr Anbieter haben den Trend erkannt und ihre Räume für das gemeinsame oder auch kollaborative Arbeiten unter einem Dach geöffnet …

Weiterlesen »
Kultur

Theater im Licht

Sphärische Klänge und Licht scheinen eins zu werden mit Tänzerinnen und Tänzern auf der sonst schwarzen Bühne. Die drei Elemente treten in Interaktion, Landschaften aus Licht – digital lightscapes – werden auf die lebenden Körper projiziert. Für die Macher dieser Performance aus Tanz, Video und Licht geht uns um …

Weiterlesen »
Menschen

Ein Schäfer in Personalnot

Behutsam zupfen sie Halm für Halm von der Wiese. An die 300 Mutterschafe mit ihren Lämmern tummeln sich im Spätsommer auf dem noch satten Grün. 100 weitere und 50 Ziegen genießen die Vegetation auf anderen Weiden. Bald schon werden die Tage kälter und regnerischer, die Wiesen kaum noch Fressbares hergeben …

Weiterlesen »
61 Jahre Wasserskisport in Feldberg (Mecklenburg).
Menschen

Von Feldberg an die Weltspitze

Im Dreieck zwischen Demmin, Stavenhagen und Altentreptow liegt der kleine Ort Gatschow. Dort, wo die Dorfstraße in einen Sandweg mündet, ist nicht alles zu Ende. Vielmehr entwickelt sich genau dort seit Jahren ein Ort der emeinschaft.

Weiterlesen »